Geschichten von Bord

AUS DER PFLEGE
Eine unserer Pflegekundinnen liebt Tiere über alles. Sie hatte selbst viele Jahre Katzen. Den Eingang ihrer Wohnung schmückt ein Zeitungsausschnitt von dem Eisbären Knut. Sie wollte so gerne „mal wieder Tiere sehen“ hat sie bei fast jedem Hausbesuch gesagt. An einem schönen Herbsttag schnappte ich mir also aus unserer Sozialstation WandsbekBarmbek einen Rollstuhl und fuhr mit ihr nach Hagenbeck. Wir haben Raubkatzen beobachtet, über die Seeelefanten gestaunt und mit den Robben um die Wette geklatscht. Auf der Rückfahrt hat sie ausgelassen gelacht und gesagt: „Ich weiß gar nicht mehr wo ich wohne, ich bin im Kopf noch voll im Urlaub.“ Ich habe sie glücklich nach Hause zurückgebracht

AUS DER MOLE44
Ich arbeite in der Tagespflege im Quartiersprojekt Martini44 in Eppendorf und begleite unsere Gäst*innen durch den Tag. Heute berichte ich über meine Arbeit und unseren Alltag mit Menschen mit Demenz in der Mole44. Es ist 14.45 Uhr, etwas aufgeregt sitze ich mit einem Tee vor meinem Laptop und warte. Ich warte auf den Technikcheck für meinen Auftritt in der Livesendung „Mit Schirm, Charme und Demenz –der interaktive Angehörigen-Talk“ mit Claudia Unruh. Ich werde zugeschaltet. Das Thema heute ist „Mutmacher*innen in der Pflege“. 15 Uhr und es geht los: die anderen Teilnehmer*innen und ich werden vorgestellt, dann die erste Frage und schon bin ich mittendrin im Radio. Ich höre meine Stimme, wie ich den Alltag in der Tagespflege beschreibe, von unseren Abläufen und Strukturen berichte, von den Besonderheiten der MAKS-Therapie, die wir anbieten und von den schönen Momenten, die wir mit unseren Gäst*innen erleben dürfen. Dies ist mir auch ein besonderes Anliegen: das Stigma, das die Diagnose Demenz mit sich bringt, etwas aufzubrechen und Mut zu machen. Passend zum Thema der Sendung. Und schwups sind die zwei Stunden rum. Ich bin sehr erleichtert und auch beschwingt von den anderen Geschichten. Die Sendung mit all den wunderbaren Mutmacher*innen kann man auch noch nachhören: soundcloud.com/claudia-503890659.

AUS DEM DEMENZDOCK
Im Oktober 2021 durften wir endlich wieder unserem Namen gerecht werden: Nach fast anderthalb-jähriger Pause eröffnete der wunderbare Heiko Stender wieder das Parkett seiner Tanzschule in Niendorf für uns und WIR TANZTEN endlich WEITER! Die Freude stand allen altbekannten und neuen Tänzerinnen und Tänzern ins Gesicht geschrieben. Freude, sich wieder zu begegnen, zu lachen, zu tanzen, sich zu bewegen und ein bisschen Alltag für zwei Stunden zu vergessen. Nur für eine Dame aus der Runde tanzte ein kleines bisschen Wehmut mit: Die langjährige Koordinatorin Pamela Freese übergab mit einem lachenden und einem weinenden Auge die Tanzgeschäfte in die Hände von Farina Friehold. Die neue Kollegin im Demenzdock übernimmt nicht nur „Wir tanzen weiter!“, sondern auch die Koordination des häuslichen Besuchsdienstes, der Musikpaten und des Kulturcafés Fünfjahreszeiten, sobald es wieder ein Konzertangebot geben darf. Ahoi und herzlich willkommen an Bord!

AUS DEM EPPE & FLUT
Ein weiteres Jahr voller Sonne und Regen, Stürmen und leichten Brisen ist an uns vorübergezogen und wir im Eppe und Flut sind trotz mancher Widrigkeiten fast noch ein bisschen mehr zusammengewachsen. Wir starteten mit unseren Gartencafés durch: An drei Tagen die Woche machten wir es uns in unserem kleinen Garten gemütlich, tranken Kaffee, klönten, spielten Boule und Tischtennis, lachten und trafen uns … Unser Koch wuchs über sich selbst hinaus und kreierte für alle mit Leidenschaft Kuchen, Suppen, Süßes und Salziges und ließ sich immer mehr von Ihnen und uns inspirieren. Mitten im unwirtlichen November ist noch kein Ende abzusehen, denn wer ließe sich von Schmuddelwetter vom Genuss eines „Zimtpudding-Kirschen-Croissant-Pie“ oder orientalischem Linseneintopf á la Navid Haghighat Mehr abhalten? Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen, sagt man – und Menschen auch.

VON DEN STIFTUNGS-LOTSINNEN UND STIFTUNGS-LOTSEN
Die Stiftungs-Lotsinnen und Stiftungs-Lotsen hatten im letzten Jahr 10-jähriges Jubiläum! Eigentlich sollte gefeiert werden, doch leider kam wieder Corona dazwischen. Kurzerhand wurde das Fest auf dieses Jahr („11 Jahre StiLos“) verschoben, dafür wurde aber an einem neuen Flyer gearbeitet. Neben der Erläuterung über die Arbeit der Vermittlungsstelle für Einzelfallhilfe und die der Stiftungs-Lotsen und Stiftungs-Lotsinnen, sollten dort auch Bilder zur Veranschaulichung dienen. Und so kam es zu zwei Fotoshooting-Terminen mit uns als Models. Wir freuten uns auf das Treffen mit der Fotografin. Der Herbst zeigte sich von seiner farbenfrohen Seite, das passte. „Ich bin aber gar nicht fotogen“ war wohl der zunächst am häufigsten der Fotografin gegenüber geäußerte Satz. Das steckte sie locker weg. „Einfach lächeln! Wenn die Augen mitlachen, dann strahlt der Mensch … nicht fotogen gibt’s nicht!“ „Wohin mit den Händen, was soll ich mit den Armen machen?“ Kleine Regieanweisungen gab es und mit der Zeit wurden alle lockerer. So locker und gut gelaunt, dass die im Freien aufgenommenen Fotos Passanten zum Verweilen und Beobachten brachten. Gestaunt wurde. „Was passiert hier wohl?“. Und dann … auch ein freundliches Lächeln zeigte sich auf deren Gesichtern. Spaß hat es allemal gemacht

GESCHICHTEN VON FRÜHER
Wer könnte am besten Geschichten von früher erzählen? Richtig, jemand, der die Hamburgische Brücke schon kannte als sie noch Gesellschaft hieß und noch heute eng mit unserem Verein verbunden ist. Wir haben das Glück, so eine wunderbare Geschichtenerzählerin an Bord zu haben und es ist uns eine riesige Freude, das mit Ihnen zu teilen. DER WOHLFAHRTSBALL ODER DIE PUDERDOSE In den 70iger Jahren fanden in Hamburg beliebte Bälle in der Wintersaison und im Hotel Atlantic statt: Der Presseball oder der „Ball über den Wolken“ des fliegenden Personals. So entstand auch die Idee, einen Wohlfahrtsball zugunsten sozialer Projekte zu veranstalten. Funk und Fernsehen sollte berichten. Eines Tages erschien eine Frau mit einem Fernseh-Tross in unserem Haus im Mittelweg 115/115a. Sie filmten in allen Räumen, zogen durch die Treppenhäuser und ich wusste immer, wo sie sich gerade aufhielten: der Duft ihres Parfums zog sich wie eine Fährte durch alle Teile des Hauses. Plötzlich stellte die Frau vom Fernsehen die Frage nach einer Puderdose, die sie dringend benötigte. Jedoch fand sich keine an, sogar der „Star“ unter uns Kolleginnen mit Beautyfarm-Erfahrungen konnte keine beisteuern. Die Aufnahmen mussten auch ohne Puder gehen. Für die Ausstrahlung wurde ein Zeitpunkt angesetzt. Ich informierte meine ganze Familie, meine Freundinnen und Bekannten. Abends saßen wir rechtzeitig vor den Fernsehgeräten und freuten uns auf die Sendung. Die aber kam – nicht. Kein Filmbeitrag, kein Hinweis auf einen eventuellen Ball, nichts! Damit war der Gedanke an einen Wohlfahrtsball erloschen. Es blieb der Duft des Parfums von der Frau vom Fernsehen – wie eine Spur durch unser Haus.